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Ergebnisbericht

ruhestaette

Ruhestätte seit 1943

Dieses Areal ist die Ruhestätte von 3000 bis 6000 im Lager Lebedjan verstorbener Kriegsgefangener. Sie waren vorwiegend deutscher Nationalität, aber darunter waren mit Sicherheit auch Kriegsgefangene anderer Nationalitäten. Ein Feld von ca. 250 Meter Länge (Ost-West Richtung) und von ca. 100 Meter Breite (Nord-Süd Richtung) erhebt sich ca. 60 cm über dem angrenzenden Gebiet. Seine Oberfläche ist leicht hügelig und versteppt. Auf der Ruhestätte stehen einzelne Büsche oder auch eine Baumgruppe. Letztere befindet sich am linken Bildrand. Dereinst soll ein orthodoxes, hölzernes Kreuz die Ruhestätte markiert haben. Heute steht an dieser Stelle noch der metallene, schräg aufragende Fuß, der dieses Kreuz aufgenommen haben muß (Bildvordergrund). Auf der linken Bildseite ist die obere Traverse der Eisenbahnbrücke über den kleinen Fluss Skwirnja zu sehen. In Blickrichtung halb rechts würde sich nach ca. 400 Metern die Grenze zur Pumpenfabrik befinden. In direkter Fortsetzung des rechten Bildrands kommt man nach ca. 400 Metern und Durchqueren von sumpfigen Stellen und dichtem Gestrüpp an den Don. Die Skwirnja fließt im Rücken des Bildbetrachters in ca. 200 Metern parallel zur Längsachse der Ruhestätte entlang. Wenn man das Massengrab in seiner Breite nach Süden durchmißt, gelangt man auf einen Feldweg, auf dem vereinzelt Autos fahren, die an der Eisenbahnbrücke eine Furt durchqueren.

Es herrscht große Stille, keine Fabrikgeräusche dringen herüber. Ende Mai schlugen Nachtigallen ihr klagendes Lied an und der Kuckuck war aus der Ferne zu hören. Aus Anlass des neunzigsten Geburtstages meines Vaters legte ich im Beisein der Freunde einen Strauß roter Rosen im Sockelpfahl an der Nordseite der Ruhestätte nieder.

Lager 35/I

Die Soldaten waren nach bisher vorliegenden Berichten nach der großen Kampfhandlung bei Kandorovka von der Roten Armee im Raum Jelez gefangengenommen worden. Dies alles geschah im furchtbar kalten Januar des Jahres 1943 bei minus 40 °C. Es ist bislang nur zu vermuten, dass der Weg in das Lager nach Lebedjan zu Fuß zurückgelegt werden mußte. Dort im Lager fehlte es beinahe an allem. In der als Lagergebäude umgebauten Fabrikhalle waren mehretagige Holzroste eingezogen worden. Die Breite für die Position eines Insassen betrug nicht mehr als 25 cm, so dass derjenige, der seine Pritsche für kurze Zeit verlassen mußte, seinen Platz nach Rückkehr nur erzwingen konnte. Es blieb ihm dazu nichts anderes übrig, als sich zunächst auf zwei der bereits dort liegenden Kameraden obenauf zu legen, bis sich der vorige Zustand wieder einstellte. Da die Säle eisig kalt waren, konnte sich ein Gefangener nur durch die Körperwärme der anderen etwas wärmen. Es ist klar, daß in dieser verzweifelten Situation und den sofort aufkeimenden Durchfallerkrankungen ein Überleben kaum möglich war.

Das ehemalige Lager lag auf dem heutigen Gelände der Fabrik für Hydraulikpumpen.

Ich bat den Einlaßdienst des Werkes, ihren Vorgesetzten sprechen zu dürfen. Nach kurzer Zeit wurde ich zu einem Direktor dieses Werkes gebeten. Hier entspann sich ein Gedankenaustausch zu Berichten aus dieser Zeit. Es war traurig mit anzuhören wie er selbst jahrelang ergebnislos nach dem Bestattungsort seines Großvaters gesucht hatte. Er mußte nur ca. 200 km weit fahren, um bei Woronesh nach ihm zu suchen, und er hat diesen Weg immer wieder unternommen. Doch vergeblich, er fand keine Hinweise auf seinen Opa. Er mußte erfahren, dass dieser auf einer Lichtung in einen Hinterhalt geraten war und vor den Augen des noch in Deckung liegenden Sohnes von einer Maschinengewehrsalve niedergestreckt wurde. - Ich denke mitunter an diesen Enkel, den Direktor, an das schwere Schicksal seiner Eltern und Großeltern.

Er begleitete mich persönlich zum ehemaligen Lagergebäude, in dessem Anbau sich ein gerade eröffnetes, modernes Konstruktionsbüro befindet. Die Wege zum ehemaligen Lagergebäude waren asphaltiert und mit Tannen bestanden. Ein junger Kollege, der in der Schule die deutsche Sprache erlernt hatte, begleitete uns.

Neuer Friedhof

Bereits im Verlauf des Jahres 1943 wurde offenbar die Bestattung auf dem oben geschilderten Massengrab eingestellt, weil der Platz nicht ausreichte. Verstorbene Kriegsgefangene wurden nach Aussagen des Museumsverantwortlichen danach zum Friedhofs des nächstgelegenen Ortes Troje Kurewo gefahren und dort beerdigt. Da dies jedoch eine verhältnismäßig große Entfernung ist, wurde bald mit den Vorbereitungen eines neuen Friedhofs in Lagernähe begonnen. Nach Zeitungsberichten wurde er im Mai 1944 eröffnet, aber noch im Jahre 1945 wurde daran gebaut wie Rudi berichtete.

Dieser Friedhof liegt östlich des ehemaligen Lagers, jenseits der Bahnlinie nach Tolstoi in der Entfernung von ca. 1 km ab Bahnlinie auf einer leichten Anhöhe direkt neben einem heutigen Asphaltwerk. Wir erkannten das Areal an der Markierung durch die weißen, 1 Meter hohen Grenzsteine, an dem orthodoxen Kreuz und den Gedenksteinen in der Mitte des hügeligen Feldes. Die ehemals vorhandenen blauen Metallschilder kennzeichneten mit ihrer Nummer die Identität der dort Bestatteten. Leider sind sie fast sämtlich entfernt und die schwarze Grabplatte mit Angabe der Anzahl und Nationalität der Beerdigten Gefangenen liegt zerschlagen und lose aneinandergefügt neben dem Kreuz und einem Granitblock mit den Namen dort bestatteter ungarischer Gefangener.

Lager 35/II

Wir starteten am 23. Mai unsere Erkundungstour an der Brotfabrik, die jenseits der Bahngeleise vom Bahnhofsgebäude aus gesehen erkennbar war. Beim Nähertreten erkannten wir ein hohes altes Gebäude. Der Eintritt war uns versperrt. Ein späterer Besuch soll Aufschluss geben, welche Gebäudeteile zum Ergänzungslager 35/II und welche das sogenannte Lazarett bildeten. Dennoch kann es sich bei Zugrundelegen des Erfahrungsberichts nur um diesen Komplex gehandelt haben, da im Hintergrund nur noch Gärten und kleine Häuser zu sehen waren.

Auf unserem 3 km langen Weg zum Lager 35/I, den wir hier auf Höhe von 35/II starteten, begegneten wir einem Arbeiter, der sein kleines Gemüsegrundstück sehr ordentlich pflegte. Nachdem wir unser Anliegen erläutert hatten, stellte er bedauernd fest, daß er lediglich wisse, wo sich der neue Friedhof befinde. Diesen hatte vor ca. einem dreiviertel Jahr bereits die Tochter eines dort beerdigten Gefangenen gesucht und er konnte ihr die Richtung weisen. Außerdem, so teilte er uns mit, sei sein Nachbar, der Lagerkommandant von 35/I im vorigen Jahr verstorben. Wir zogen weiter und versuchten das Puzzle von Angaben zu Sandgruben, Asphaltwerken und dazwischenliegenden Entfernungen zu ordnen.